Klimautopien - Advent 2020 in der Kirche Speicher


Text von Seraphine und Alina, vorgetragen von Seraphine im Adventsgottesdienst in der Kirche Speicher:

Ich möchte heute gerne mit euch darüber sprechen, was wir als Klimabewegung eigentlich erreichen wollen. Gemeinsam wollen wir überlegen, was wir uns wünschen, wofür wir uns so stark einsetzten und was es alles zu gewinnen gibt, wenn wir es schaffen, keine fossilen Brennstoffe mehr zu verbrenne.

In dieses riesige Riesenthema will ich mit einer kleinen Erzählung von Alina starten. Als wir diesen Text vorbereitet haben, hat sie zufällig auf der Türe ihrer Nachbarn ein Bild entdeckt, dass das kleine Mädchen gemalt hat, das dort wohnt. Mit Filzstift wurde ein Gesicht mit grünen Augen, spitzen Eckzähnen und langen lila Haaren auf das weisse Papier gemalt. Darüber steht als Titel gross und blau in Schnürlischrift: was Kinder wollen. Und auf den nächsten Zeilen: Kinder wollen Frieden. Kriege bringen Not und Elend. Alle Kinder sollen einander helfen und nicht streiten.  

Ganz klar, nur diese schlichten Sätze. Kinder scheinen ganz genau zu wissen, was sie wollen.  Frieden.
Und wie sie dahin kommen, wissen sie auch. Nicht streiten, sondern helfen.
Und schon haben wirs. Einfach, oder?

Auch Johannes der Täufer schien zu wissen, was er wollte; alle Menschen wieder auf den rechten Weg des Glaubens zu bringen, damit sie Erlösung erfahren können. Wie man dort hin kommt, wusste er auch: umkehren. «Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe» (Mt 3,1-2) rief er den Menschen zu und forderte sie so dazu auf, ihre Sünden zu bereuen und alle bösen Taten zu berichtigen. Auch hier sind das Ziel und der Weg dorthin ganz klar. 

Bei uns in der Klimagruppe und vermutlich auch bei ganz vielen anderen Menschen sieht das in Bezug auf den Klimawandel ein bisschen anders aus. Was wir wissen ist, dass wir ganz tief drin stecken in der Klimakrise, und dass es so nicht weitergehen kann. Und dass wir sofort etwas ändern müssen, wissen wir auch. Wir brauchen eine Welt die sich nicht immer weiter unkontrolliert erhitzt. Das schaffen wir, indem wir aufhören, fossile Brennstoffe zu verbrennen.

Zugegeben, auch hier scheint das erstmal ganz klar. Aber sobald wir länger darüber nachdenken, tun sich ganz viele Fragen auf. Wie soll die Welt ohne Klimawandel aussehen? Wie funktioniert unser Leben darin? Anders?  Es sind die Gedanken vom Anfang: was wünschen wir uns, wofür setzen wir uns ein, was gibt es alles zu gewinnen? Was wird dennoch Wurzeln schlagen? 

Wir sind uns sicher, dass es sich lohnt, diese grossen Riesenfragen zu beantworten zu versuchen. Handeln funktioniert nicht so gut, wenn wir uns davor fürchten, wie die Zukunft wird und das irgendwie verhindern wollen. Es geht viel besser, wenn wir wissen, worauf wir hinarbeiten. Wissen, wofür wir kämpfen und weshalb es sich zu kämpfen lohnt.  

Bevor wir euch unsere Antwortideen näher bringen, möchten wir euch bitten, euch kurz zu überlegen, was ihr euch für die Zukunft wünscht. Das kann ein Gefühl sein, oder eine Lebensweise. Ein System, ein Wort oder einfach irgend ein Gedanke, der euch gerade in den Kopf kommt. Den könnt ihr bitte aufschreiben, oder zeichnen, was auch immer euch gerade passt. Nachher würden wir ihn gerne an den Weihnachtsbaum hängen. In der Klimagruppe haben wir uns einmal zusammengesetzt und darüber nachgedacht, was wir uns wünschen, wovon wir träumen. Im Folgenden sind einige der Antworten zusammengefasst.

 

Wir träumen von einer solidarischen Welt, in der wir miteinander leben. In der zwischen uns mehr Nächstenliebe herrscht. In der wir zwar miteinander streiten, aber einander trotzdem helfen, und in der alle in die Gesellschaft integriert sind, sich alle aufgehoben fühlen, und in der auch die Natur wieder integriert wird. Damit sie bewahrt werden kann. Und damit wir wieder mehr nach draussen kommen und uns und unsere Umgebung erleben. Uns verbunden fühlen mit der Welt.

 


Wir hoffen, dass die Schere zwischen Arm und Reich, Nord und Süd kleiner sein wird, weil die reichen Länder in die ärmeren investiert haben, damit sie eine grüne «industrialisierung» schaffen, die allen so viel besser tut als die, welche die westlichen Länder erlebt haben.

 


Wir glauben an eine Welt, in der Nachhaltigkeit immer an allererster Stelle steht. Dass wir wegkommen von dem vielen unbedachten Konsum, der langfristig nicht wirklich glücklich macht. Dass wir eine Wirtschaft aufbauen können, die Gutes tut und in der alle Menschen Jobs haben, die klima- und menschenfreundlich und sinnvoll sind.

 


Wir träumen von einer Gesellschaft, in der alle Menschen bewusst handeln können. Alle darüber sensibilisiert sind, was ihr Handeln für Auswirkungen hat, wie es wen beeinflusst. Einer Gesellschaft, in der alle verstehen, dass es die Welt nur einmal gibt und wie wichtig es ist, auf sie zu achten. In allem, was man tut. Wir hoffen auf eine Demokratie, in die sich alle informiert besser einbringen können, die schneller und wendiger ist und in der an Lösungen gearbeitet wird.

 


Wir hoffen auf eine Gesellschaft, die gerecht und freundlich ist, entschleunigt und gemütlich. In der es mehr Ruhe gibt und die Leute nicht mehr so gestresst sind, weil wir uns darauf fokussieren können, was wirklich wichtig ist.

 


Wir glauben, dass Energie wieder als etwas Kostbares gesehen werden wird; als Luxusgut. Die Eigene, genauso wie die weltweit für Strom und Mobilität gebrauchte.

 


Wir wünschen uns eine geeinte Welt ganz voll mit Liebe und Stolz aufeinander, weil wir gemeinsam so etwas unglaublich grosses geschafft haben werden, nämlich gemeinsam den menschengemachten Klimawandel gestoppt. Etwas, das wirklich nur miteinander geht.

 


Wir hoffen auf eine Welt, in der sich Menschen ganz automatisch klimafreundlich verhalten. Weil sie wollen, weil es so viele Vorteile hat. Für alle beteiligten.

 


Dahin möchten wir gerne umkehren. Oder aufbrechen, das passt vielleicht besser. Johannes der Täufer rief seine Mitmenschen dazu auf, ihre Sünden zu bereuen und alle bösen Taten zu berichtigen. Er war sich sicher: «Es ist heute, in der Gegenwart, in der über unser zukünftiges Schicksal entschieden wird; mit dem konkreten Verhalten, das wir in diesem Leben einnehmen, entscheiden wir über unser ewiges Los.» 

Und seine Worte sind aktuell wie nie; wir entscheiden heute, wie es weitergeht mit uns und der Welt. Lasst uns dabei im Kopf behalten, dass es gut weitergehen könnte.